Bildungsort Familie: So bereichert Elternschaft den Job – Experten-Interview mit Joachim E. Lask vom WorkFamily-Instituts
Provokante Frage: Sind Eltern im Grunde die besseren Mitarbeiter*innen und Führungskräfte?
Warum provokant? Wenn eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter auf einer 2-wöchigen Weiterbildung incl. Training war, dann darf die Führungskraft doch eine Leistungsverbesserung erwarten, oder? Eltern kommen täglich an die Grenze ihres Könnens und ihrer Leistungsfähigkeit. Das sind lern-psychologisch gesehen optimale Bedingungen, um Neues zu lernen. Mit Learning-by-doing erwerben sie praxisrelevante Skills wie etwa Selbststeuerung, Kooperation, Kommunikation oder Planung. Dass genau diese Fähigkeiten im Job notwendig sind, zeigt mehrfach eine Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft. Also: Wenn Eltern zum kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) bereit sind, dann steht ihnen der beste Bildungsort auch für berufliche Skills zur Verfügung. Hierzu forschen wir intensiv und entwickeln für Eltern und Unternehmen Tools und Strategien.
Welche Kompetenzen erwerben Menschen durchs Elternsein?
Selbst-Kompetenzen. Ich glaube, für Eltern ist es das Schwierigste, achtsam mit sich selbst zu sein. Die Liebe zu den Kindern und die Verantwortung verleitet dazu, sich zu überfordern. Gelingt es Eltern jedoch in einem guten Maß, für sich selbst zu sorgen, erwerben sie Skills wie etwa Entscheidungsfähigkeit, Realistisch-Bleiben, Stressbewältigung oder Zuversicht.
Beziehungs-/mitarbeiterorientierte Kompetenzen. Eltern wie auch Führungskräfte gestalten einen entscheidenden Beitrag zum Beziehungs-/Teamklima. So trainieren sie beispielsweise das interessierte Zuhören, das faire Sprechen, zeigen konkrete Wertschätzung und beweisen ihre Loyalität.
Aufgabenorientierte Kompetenzen. In jeder Familie müssen ebenso wie in jeder Organisation Aufgaben bewältigt werden. Entsprechend sind Eltern gefordert, klare Ziele und Anweisungen zu formulieren und die Fähigkeit zur Anleitung für diese zu erlangen. Beim leidigen Thema Konsequentsein sitzen Eltern ebenfalls mit Führungskräften in einem Boot: es ist unbequem und kostet Kraft. Zudem sollen die Konsequenzen gut auf ihre Durchführbarkeit bedacht sein.
Kurzum: 70-90 Prozent der berufsbezogenen Skills werden nebenbei erworben. Das zeigen gute wissenschaftliche Übersichtsarbeiten zum informellen Lernen.
Beschäftigte schöpfen großes Potential aus dem Familienleben und können dadurch offensichtlich auch beruflich über sich hinauswachsen.
Ihre Frage trifft die DNA unserer Arbeit! Familie und Arbeit können sich bereichern. Eltern entwickeln in Ihren Familien persönliche Ressourcen wie etwa die eben angeführten Skills, die im Arbeitsleben zu mehr Zufriedenheit führen. Das funktioniert natürlich auch umgekehrt. Doch bleiben wir beim Potential aus dem Familienleben: Beispielsweise wird ein Vater, der das Gespräch mit seinen Kindern, den Großeltern, Nachbarn, LehrerInnen etc. gut moderieren kann, auch Gespräche in seinem Ingenieurs-Team gut moderieren. Führungskräfte die solches Potential nutzen wollen, müssen (!) klar kommunizieren, dass diese Skills gewünscht sind und welchen Vorteil der Einsatz dieser Skills für den Betreffenden haben wird.
Warum ist Kinderkriegen dann immer noch ein Karrierekiller?
Ja, das ist ein Dilemma, dem auch wir in unseren Studien immer wieder begegnen. Ich greife nur ein Ergebnis heraus, welches mich persönlich sehr beschäftigt: Eltern trauen sich weniger zu, ihre erworbenen Skills im Job zu ihrem eigenen Vorteil einzusetzen als dies Menschen tun, die keine elterliche Verantwortung haben. Ich bin hierüber bestürzt und zugleich motiviert es mich. Eltern können viel selbstbewusster auftreten. Der Bildungsort Familie ist die beste Weiterbildung für berufsrelevante Skills. Damit spreche ich das Mindset der erwerbstätigen Eltern an. Dies wird selbstverständlich auch von der gesellschaftlichen Auffassung zum Wert von Familie getriggert.
Was raten Sie nun Unternehmen mit Vorurteilen?
In 48 Monaten verlassen die ersten superstarken Geburtenjahrgänge die Unternehmen. Doch wer bekommt die wenigen Mitarbeiter:innen der Generation Z? Schon jetzt hat der Demographische Wandel den VUKA-Druck auf die Unternehmen erhöht. Arbeitgeber mit konkreten Konzepten, wie etwa „Bei uns können Sie Karriere machen und Familie gründen“, werden Fachkräfte gewinnen und behalten. Zu den von Ihnen benannten Vorurteilen gibt es ausführliche Studien, die allesamt zeigen: erwerbstätige Mütter und Väter erhöhen die Produktivität der Organisation. Sie sehen, ich bin da mit einer guten Portion Optimismus ausgestattet! Und den habe ich – wie könnte es anders sein – definitiv in meiner Familie entwickelt.
Weitere interessante Studien
Das Workfamily-Institut erforscht die positiven Aspekte von Elternschaft auf den Erfolg im Berufsleben. Folgende wissenschaftliche Studienergebnisse zu Vereinbarkeit, informellem Lernen, Spillover-Effekt und Rollenmanagement könnten Sie auch interessieren:
Joachim E. Lask, Jg. 62, ist Vater von 7 Kindern, Wirtschafts- & Familienpsychologe, Leiter des WorkFamily-Instituts und tätig in seiner Freien Psychologischen Praxis. Er ist Autor mehrerer Bücher, bspw. von „Gute Eltern sind bessere Mitarbeiter“, „Elterliche Skills in Organisationen“ und forscht u.a. mit der Goethe-Universität Frankfurt und der FOM Hochschule zum Work-Family-Enrichment-Ansatz.
„Ich helfe Unternehmen und Eltern den Bildungsort Familie für den Job zu nutzen. Das führt zur mehr Produktivität und Lebensqualität. Wir schauen genau hin, wie elterliche Skills von Vätern und Müttern besser erkannt und im Unternehmen genutzt werden können. Hierzu trainieren wir Führungskräfte, informell gelernte Skills ihrer Mitarbeitenden gezielt für den Arbeitsauftrag einzusetzen.“